Zwei Krisen, eine Lösung?

von Chiara Pohl

Deutschland hat es geschafft, seinen CO₂-Ausstoß im Jahr 2020 um über 40% zu senken, so ein Bericht der FAZ. Die Zielsetzung zur Reduktion von Treibhausgasen haben wir damit unerwartet eingehalten. Die Ursache liegt auf der Hand – die Corona-Pandemie lässt beispielsweise Autofahrten zur Arbeit oder Flugverkehr überflüssig werden. Sollten wir uns dafür also beim Virus „bedanken“? Bedeutet die Pandemie-Situation Klimaschutz?

Die kurze Antwort: Nein.

Ein Virus, an dem weltweit über 2,5 Millionen Menschen verstorben sind, kann weder als „hilfreich“ noch „schützend“ bezeichnet werden. Klimaschutz betreiben wir, um Menschenleben zu retten – eine Sache, die Menschenleben kostet ist demnach alles andere als eine Lösung.

Dass unsere Reaktionen auf die eine Krise aber förderlich zur Bekämpfung der anderen sind, kann dennoch ein kleiner Lichtblick für uns sein. Es ist zumindest ein  Ausgleich für den hohen Verbrauch an Einwegmasken, Hygieneartikeln und Verpackungsmaterial, der zur Pandemiebekämpfung notwendig ist – die Schonung von Ressourcen und Umweltschutz dagegen erschwert.

Blicken wir auf den größeren Zusammenhang, lassen sich allerdings noch ganz andere Verknüpfungen zwischen Pandemie und Klimakrise feststellen. Betrachten wir Ursachen und Konsequenzen beider, können wir sogar sagen: Es ist ein und dieselbe Krise – global, menschengemacht, bedrohlich für Gesundheit und Leben. Covid-19 hatte da seinen Ursprung, wo Menschen Grenzen überschritten haben: Höchstwahrscheinlich wurde die erste Infektion durch eine Zoonose, durch die Übertragung über einen Zwischenwirt von Fledermaus, bekannte Träger von Corona-Viren, zu Mensch ausgelöst.  Das konnte zum einen passieren, weil wir Menschen immer weiter in tierische Lebensräume vordringen und vor vielen Grenzen der Natur nicht haltmachen. Zum anderen wird die Ausbreitung bestimmter Fledermausarten durch den menschengemachten Klimawandel begünstigt. Die Pandemie ist also eine akute Ausprägung der allgemeinen Entwicklung, auf die wir zusteuern: In den nächsten Jahrzehnten wird uns so einiges bevorstehen. Beispielsweise fördert die fortschreitende Klimaerwärmung die Ausbreitung von Mücken, die Malaria- oder Zika-Viren übertragen. Nächste Pandemien sind da nicht weit, doch noch ist Hoffnung: Wir Menschen sind in der Lage, unser Verhalten zu reflektieren und aus Fehlern zu lernen – und so kann der Blick auf die Zukunft auch optimistisch sein.

Die drei wichtigsten Lehren, die wir aus der Corona-Pandemie ziehen können:

Besser lang- als kurzfristig planen

Bereits 2013 hat das Robert-Koch-Institut dem Bundestag das mögliche Szenario einer SARS-Coronavirus-Pandemie vorgelegt und Aktionspläne für etwaige Krisenfälle angeregt. (3) Passiert zu sein scheint damals nicht viel, sonst wären wir möglicherweise bereits alle geimpft und hätten eine einheitlichere Strategie, das Virus zu bekämpfen.
Auf weitere prognostizierte Akutsituationen wie neue Pandemien und Umweltkatastrophen sollten wir uns also vorbereiten. Internationale Zusammenarbeit und Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse sind hierbei von enormer Wichtigkeit.

Die Bedeutung von Kipp-Punkten nicht unterschätzen

Durch die Pandemie haben wir die Bedeutung von exponentiellem Wachstum im täglichen Leben, am eigenen Leib erfahren. Wenn eine bestimmte Schwelle überschritten ist, kann eine Krankheit sich nahezu ungehindert ausbreiten und es ist unglaublich schwierig, den Wert der 7-Tage-Inzidenz wieder zu senken. So, nur drastischer und komplexer, ist es auch mit der globalen Erwärmung: Haben wir die im Pariser Klimaabkommen angestrebten 1,5 Grad erst einmal überschritten, gibt es kaum ein Zurück mehr. Eine solche Veränderung des Klimas löst Kettenreaktionen aus, die die globale Temperatur noch schneller in die Höhe treiben als vorher, wie waldsterbenauslösende Trockenheit, das Schmelzen großer Eisschilde  und das Tauen von Permafrostböden, durch das große Mengen an CO₂ und Methan freigesetzt werden, die zuvor im Boden gespeichert waren. (4)
Wenn wir uns solcher Schwellen bewusst werden, können wir unser Handeln danach ausrichten – ob es nun um die Bekämpfung von Covid-19 oder der globalen Erwärmung geht.

Es ist möglich, unser Leben umzugestalten und an aktuelle Entwicklungen anzupassen  


Auf einige Dinge können wir uns freuen, wenn das Virus zumindest fürs Erste eingedämmt ist. Endlich die Maske weglassen, unsere Lieben wiedersehen, Feiern gehen. Könnte manches aber nicht bestehen bleiben? Verstärktes Arbeiten im Home Office birgt beispielsweise ein großes Potenzial, langfristig Pendelstecken zu reduzieren und Verkehr zu vermeiden. Und: Wir haben gelernt, dass Verzicht zwar teilweise schwierig, aber durchaus möglich ist. Eine Erfahrung, die uns dabei helfen kann, unser Leben angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bezug auf die Klimakrise umzugestalten und Chancen zu erkennen. Außerdem bringt uns Corona dazu, uns mit ethischen Fragestellungen zu beschäftigen. Welche Risiken möchte ich mit meinem Lebensstil eingehen? Zu welchem Maß begrenze ich mich selbst, um andere nicht zu gefährden? Wie kann ich so handeln, dass ich es mit meinem Gewissen vereinbaren und mein Leben trotzdem leben und genießen kann?

Diese Fragen werden uns auch unabhängig von akuten Pandemiesituationen erst einmal allgegenwärtig sein und begleiten.  

vorheriger Blog-Artikel
Züge statt Autobahn