Schneller, höher, Klimaschutz?

von Karim Abu-Omar

Der Sport tut sich noch schwer mit den Themen Klima- und Umweltschutz.

Nicht hinfahren als bessere Option?

Meine berufliche Rolle hat mich diese Woche nach Straßburg getragen, auf Einladung der französischen Regierung. Im Rahmen ihrer derzeitigen Ratspräsidentschaft der EU sollte ich auf einem Workshop zu den Zusammenhängen zwischen Klima und Sport sprechen. Diese Art von Veranstaltungen hat mir in den letzten zwei Covid-Jahren nicht gefehlt, musste ich feststellen. Im Charakter sind diese Veranstaltungen formell durchchoreographiert und die Inhalte treten schnell in den Hintergrund. Es waren einige staatliche und nicht-staatliche Organisationen vertreten, von den Sportverbänden über die Sportartikelindustrie bis hin zu Organisationen bei denen mir bis zum Ende nicht klar war, wie viel ernsthaftes Anliegen sie an dem Thema Klimaschutz mitbringen oder ob sie nur da sind, um diesen zu verhindern. Nach diesen Veranstaltungen macht sich bei mir fast immer das Gefühl breit, nicht hinfahren wäre vielleicht die bessere Option gewesen.

Als gäbe es das Problem im Sport nicht ...

Sport und Klima? Ich sehe erst in der letzten Zeit, dass es in diesem Sektor überhaupt eine Auseinandersetzung mit diesem Thema gibt. Als gäbe es das Problem im Sport nicht. Das ist aber natürlich weit gefehlt. Im Leistungssport wären da die hohen Flugemissionen, die durch den Ligabetrieb und die internationalen Wettbewerbe der Profimannschaften entstehen. Dazu kommen der Fantourismus und die Sportausrüstung samt Verschleiß (ein Tennisball hat sein Leben auf einem Profiturnier nach wenigen Ballwechseln ausgehaucht). Auch Flächenverbrauch (Golfplätze), Wasserverbrauch (Tennisplätze), Sportkleidung, Marathonschuhe die nach einem Lauf nicht mehr zu gebrauchen sind, es lässt sich wirklich nicht sagen, dass der Sport nachhaltig ist. Uns ist es inzwischen sehr geläufig, dass der Sport moralisch fehlbar ist, warum sollte es da beim Klima- und Umweltschutz auch anders sein?  

Plastikflasche, ungefragt

Auf der Veranstaltung war es dann interessant zu beobachten, worüber nicht diskutiert wurde. Vielleicht ist der Sport dann an dieser Stelle auch ein Mikrokosmos für viele andere gesellschaftlichen Teilbereiche. Worüber wurde also nicht diskutiert? Ernsthafter Klimaschutz zum Beispiel. Die Frage, ob die Sportartikelindustrie weiterwachsen will. Ob es in Zukunft noch Wintersport geben sollte? Und überhaupt, ob die Ausrichtung von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen überhaupt noch zeitgemäß ist? Oder warum auf einer solchen Veranstaltung jede/r Teilnehmer:in ungefragt eine Plastiktrinkflasche geschenkt bekommt? All das war nicht der Rede wert.

Verhagelte Klimabilanz

Natürlich ist Breitensport gesund, kann integrativ wirken und Menschen zusammenbringen und ist so ein Teil des sozialen Kits unserer Gesellschaft. Aber natürlich verursachen wir durch unser Sporttreiben auch Treibhausgasemissionen und weitere Umweltschäden. Skifahren auf Kunstschnee wird wahrscheinlich die Negativliste toppen, der Wasser- und Energieverbrauch von vielen Skigebieten in den Alpen ist horrend. Viele weitere Natursportarten (z.B. Klettern, Surfen) fallen ebenfalls durch hohe Treibhausgasemissionen auf. Das mag auf den ersten Blick verwundern. Bis wir uns klarmachen, dass allzu häufig die Standorte dieser Sportarten nur mit dem Flugzeug angeflogen oder mit dem Auto angefahren werden können. Bei den Ballsportarten ist es selbst auf absolutem Breitensportniveau in den unteren Ligen die Summe der An- und Abfahrten zum Trainingsbetrieb, die Auswärtsspiele, der neue Trikotsatz und das ganze drum herum, dass die Klima- und Umweltbilanz verhagelt. Selbst der Kreisliga FC Kick kann sich da nicht ausnehmen. Und selbst das Schwimmen im beheizten Hallenbad im Winter hat in unseren Breitengraden einen hohen (fossilen) Energieverbrauch.

An Wissen fehlt es nicht

Wie genau wird dann aber auf diesen Veranstaltungen argumentiert? Lesen die nicht die IPCC-Berichte? Doch, doch, das tun die, an Wissen fehlt es nicht! Es ist vielmehr ein Narrativ der sich durchsetzt und schnell konsensfähig ist, wie wir ihn eben auch in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen sehen. Und dieser Narrativ klingt so: Klar, der Sport muss in den nächsten Jahren auch mehr für den Klimaschutz tun. Aber der Sport erzeugt auch ganz viele positive gesellschaftliche Wirkungen (Unterhaltung, Gemeinschaftserlebnisse, Integration, Naturerlebnisse), wir sollten das nicht unterschätzen. Der Sport muss grün wachsen. Wir müssen unsere Sportveranstaltungen nachhaltiger machen. Dazu ist es wichtig, besser berechnen zu können, wie viel CO2-Austoß sie verursachen und wie wir diesen gut kompensieren können. Wir müssen unsere Athlet:innen besser darüber informieren, wie wichtig es ist mit den Öffis zum Sport zu fahren. Wir schaffen das schon. Ansonsten machen wir einfach so weiter wie bisher. Schneller, höher, weiter und ab jetzt auch ein bisschen Klimaschutz. Ende des Narrativs.

Politik muss handeln

Und jetzt? Kann Mensch noch guten Gewissens Sport treiben und wie sieht denn dann nachhaltiger Sport aus? Zuerst einmal, wie immer, wir brauchen systemische Veränderungen. Egal wie wir uns alle selber einschränken, in allen Lebensbereichen, am Ende wird das nicht reichen, um unsere Treibhausgasemissionen deutlich zu senken. Ohne sehr deutliche politische Rahmenbedingungen, die auch durchgesetzt werden und denen sich alle Sektoren, auch der Sport, verpflichten, werden wir die Klimakrise nicht aufhalten können. Nachhaltiger Sport ist eigentlich recht leicht und wir kennen es alle vom Lebensmittelkauf: regional, saisonal und ökologisch. Auf den Sport übertragen heißt dies, besser in der Region Sport treiben, das vermeidet lange An- und Abfahrten. Den Sport den man mag dann ausüben, wenn dies draußen ohne zusätzliche technische Hilfen möglich ist. Also vielleicht Langlaufen statt Ski-Alpin im Winter oder Schwimmen im Badesee im Sommer. Ökologisch heißt, die Ausübung von Sportarten die wenig Fläche verbrauchen und auch von der benötigten Ausrüstung überschaubar sind. Gerade in den letzten Jahren sind viele Sportarten nischenpopulär geworden, die diese Bedingungen erfüllen. Spikeball wäre hier zu nennen, oder Wikingerschach, oder aber traditionelle Sportarten wie (Ultimate)-Frisbee oder Tischtennis.

Wie viel Zeit wird der Sport noch benötigen um echten Klima- und Umweltschutz umzusetzen? Ich kann das nicht sagen. Aber nach dieser Veranstaltung ist die Hoffnung in mir, dass dies schnell geschieht, nicht größer geworden.

vorheriger Blog-Artikel
Russlands Angriff und die Folgen, Teil II: Lösungsansätze
nächster Blog-Artikel
Solidarität mit der Ukraine